Nike - "Nerventumor"

Wir freuen uns über jeden geschenkten Tag

Nike, geb. ca. 2005, Schwarzwildbracke, lebt seit Februar 2009 bei uns.

Im Januar 2013 fing sie heftig an zu lahmen und bei bestimmten Bewegungen richtig aufzuschreien.

Beim Tierarztbesuch wurde der rechte Ellenbogen geröntgt, eine Bizepssehnenreizung diagnostiziert und Rimadyl verordnet.  Auf Rimadyl reagierte Nike mit heftigem blutigem Erbrechen, so dass wir versuchsweise auf Metacam umschwenkten. Damit ging es Nike sehr schnell besser und die Lahmheit verschwand. Nach dem Absetzen von Metacam kamen, trotz strenger Ruhigstellung, die Schmerzen abrupt wieder. Also fuhren wir wieder in die Tierarztpraxis, wo man uns relativ direkt mitteilte, Nike würde sich schon aber auch ein bisschen anstellen, sie wäre halt ein wehleidiger Typ…

Es ging eine Weile immer hin und her mit Metacam – versuchsweise absetzen – wieder Metacam, bis wir uns schließlich nach einem guten Orthopäden umhörten. Ja, eine Bizepssehnenreizung mag eine langwierige Sache sein, aber da es trotz Ruhigstellung und Metacam kein bisschen besser wurde, waren wir misstrauisch und fühlten uns auch nicht gut aufgehoben.
Eine Freundin empfahl uns Dr. Winkels, der ihren Rüden erfolgreich operiert hatte. Einen Anruf später hatten wir einen ausführlichen Termin (auch für unsere Seniorin mit ihren Rückenproblemen) ausgemacht und waren sehr gespannt.

Am 07.05.2013 trafen wir also erstmals auf Dr. Winkels und waren schon mal begeistert von der gründlichen Untersuchung. Die Ganganalyse zeigte, dass Nike nicht nur am rechten Ellenbogen Probleme hatte, sondern auch links. Die zwar brutal aussehende, aber freundlich und vorsichtig durchgeführte orthopädische Untersuchung erhärtete den Verdacht auf beidseitige Ellenbogenprobleme. Nike wurde in eine leichte Vollnarkose gelegt (bei der ich sie bis zum Einschlafen auf dem Schoß behalten durfte) und zur genaueren Diagnostik geröntgt und ins CT gesteckt. Nett war, dass ich in der Wartezeit einen Kaffee bekam!

Schließlich stellte sich auf den Röntgen- und CT-Bildern heraus, dass Nike beidseitig Knochenzubildungen (-fragmente?) in den Ellenbogen hatte, die auf Dauer den Knorpel beschädigten und auch die Sehnen reizen könnten. Endgültig Ruhe würde sie nur bekommen, wenn man diese Teile aus den Gelenken entfernt. Ich wurde sehr gründlich über die OP und die dabei entstehenden Kosten informiert, bevor ich mich dafür oder dagegen entscheiden sollte. Bei einem noch nicht wirklich alten Hund entschied ich mich natürlich dafür!

Da wird einen mehr als ausführlichen Doppeltermin abgemacht hatten, war es kein Problem, Nike weiterhin schlafen zu lassen und direkt zu operieren. Auch für diese Wartezeit gab es wieder Kaffee ;)

Nach erfolgreicher Operation, während Nike aber noch im Aufwachraum lag, besprach Dr. Winkels die Befunde mit mir, zeigte mir Bilder der Operation und wir begannen mit der Untersuchung meiner anderen Hündin.
Schließlich durfte ich Nike gegen 16.30h schon wieder mit nach Hause nehmen.

In den folgenden Wochen war strikte Schonung angesagt, Nike durfte zunächst nur 3mal am Tag 5min an kurzer Leine im Schritt gehen und ansonsten vor allem schlafen und rumliegen. Dankenswerterweise hat die kleine Vorzeigepatientin alles ruhig und geduldig mitgemacht, und so war Dr. Winkels bei sämtlichen Kontrollen mit dem Heilungsverlauf und dem Gangbild zufrieden.

Anfang Juli, also 2 Monate nach der Operation, besuchte ich eine Freundin in Belgien, und Nike war mit dabei. Eigentlich sollte sie immer noch geschont werden, kein Getobe, aber als wir am Strand waren und Nike Sand unter die Pfoten kam, gab es kein Halten mehr. Obwohl ich bis dahin sehr streng war, machte ich die Leine ab und ließ sie toben, mehrere Minuten drehte sie ihre Kreise im Sand und durchs Wasser. Glücklicherweise lief sie danach nicht schlechter, sondern auch ohne Metacam ging es ihr immer besser.

 

Bis Anfang August. Nike humpelte wieder, zeigte Schmerzen, vor allem rechts, und setzte ab und zu rechts die Pfote verkehrt herum auf. Wir gingen mit ihr zur Physiotherapie, was sie hervorragend fand (da gab es ja auch immer mal Leckerchen!). Sie ließ sich gut massieren und nach den ersten zwei Sitzungen hatten wir das Gefühl, es wird besser. Bei der dritten Sitzung, am 07.08., wollte Nike sich im rechten Schulterbereich nicht gerne anfassen lassen und wich aus. Im Laufe des Abends wurden die Schmerzen stärker, Nike humpelte ganz fürchterlich, sie konnte den Kopf nicht ablegen. Schlafen klappte nur mit Hilfe eines Kissens; als jedoch der Kopf vom Kissen rutschte, schrie sie laut auf. Das hatte sie so vorher noch nie und wir konnten uns kaum vorstellen, dass das noch etwas mit den Ellenbogen zu tun hat. Am 08.08. sehr früh morgens riefen wir Dr. Winkels an, der uns sofort losfahren ließ, gottseidank konnte er sich Zeit für sie nehmen. Die Abfahrt zu ihm gestaltete sich schon schwierig, da Nike ob der starken Schmerzen inzwischen sehr „benebelt“ war und sich in ein Gebüsch zurückgezogen hatte. Schließlich konnten wir sie aber zu zweit ins Auto tragen, mit Kissen absichern und ich fuhr los. Im Wartezimmer lag Nike apathisch auf meinem Schoß und wimmerte ab und zu vor Schmerzen. Dr. Winkels wollte diesmal auch keine ausführliche Ganganalyse, die Schritte ins Behandlungszimmer und ein von mir am Vortag angefertigtes Video vom Gangbild reichten ihm. Bei der orthopädischen Untersuchung kam heraus, dass die Ellenbogen beidseits völlig schmerzfrei waren. Es folgte eine eingehende neurologische Untersuchung und ich sah das Stirnrunzeln bei Dr. Winkels, als vorne rechts der Korrekturreflex nicht funktionierte und Nikes Pfote verkehrt stehenblieb. Mein laienhafter Verdacht eines akuten Bandscheibenvorfalls hätte ja dazu gepasst, Dr. Winkels wollte sich aber auf keinerlei Mutmaßungen einlassen (im Nachhinein vielen Dank dafür!) und erklärte, dass nur eine Untersuchung im MRT eindeutig  Aufschluss über die Ursache der Beschwerden geben würde. Mir wurde schlecht angesichts der auf mich zukommenden Kosten, hatte ich ja noch die Ellenbogenoperation abzubezahlen. Ich betrachtete das braungestromte Häufchen Elend zu meinen Füßen und stimmte der Untersuchung zu und wir machten ab, dass Nike über Nacht dortbleiben sollte, um sie mit Schmerzmedikation abzudecken und evtl. am nächsten Tag operieren zu können (ich dachte ja immer noch an einen Bandscheibenvorfall!). Nike wurde wieder in Narkose gelegt, schlief auf meinem Schoß ein und ich fuhr mit einem sehr unguten Gefühl nach Hause.

 

Nachmittags meldete sich Dr. Winkels und berichtete, dass Nike die Narkose gut überstanden hätte und dank der Schmerzmittel ruhig schlafen würde, was nach der vorherigen Nacht auch bitter nötig war. Die Auswertung der MRT-Bilder würde aber bis zum nächsten Vormittag dauern. Der Abend zog sich hin, der nächste Morgen auch. Schließlich rief Dr. Winkels an und erzählte zunächst, wie Nike die Nacht überstanden habe, ruhig und gut. Schließlich beschrieb er, wieso die Auswertung der MRT-Bilder so lange dauerte und wieso in Nikes Fall besonders lange: weil noch Kollegen draufschauen sollten.  Die Diagnose war niederschmetternd: Nike hatte einen Nervenscheidentumor im Hals-Schulterbereich, der vermutlich bösartig und inoperabel sei. Daher die Schmerzen, daher die verminderten Reflexe. Wir fielen sprichwörtlich aus allen Wolken. Wir verabredeten, wann wir Nike abholen würden und versuchten, dass Unfassbare zu fassen. Die Fahrt zu Dr. Winkels verlief sehr ruhig, dort angekommen mussten wir auch nicht lang warten. Er zeigte uns die MRT-Bilder und den Sitz des Tumors. Die Prognose war denkbar schlecht: vielleicht würde es am nächsten Tag zuendegehen, vll. In einer Woche, vielleicht in 2 Wochen. Nike sollte hochdosiert Prednisolon bekommen (ich wunderte mich, dass wir angesichts der schlechten Prognose eine 100er-Packung bekamen), um die vom Tumor verursachte Entzündung etwas einzudämmen, aber gegen diese Art von Schmerzen würde außer Opioiden (die sie dort bekommen hatte) eigentlich nichts helfen. Sobald die Schmerzen zu stark würden, müssten wir Nike einschläfern lassen. Und zwar schnell….die Heftigkeit der Schmerzen war uns noch sehr präsent. Nike sollte jetzt den Prinzessinnenplatz bekommen und noch eine schöne Zeit haben.

 

Dr. Winkels selber brachte Nike zu unserem Auto, man merkte, dass auch ihm die Lage sehr nahe ging. Durch die Schmerzmittel war Nike auf der Heimfahrt sehr ruhig und schläfrig, zu Hause angekommen stellten wir ihr einen Korb auf die Terrasse in die Sonne und sie beobachtete uns verunsichert.

 

Ich hielt Rücksprache mit unserer Haustierärztin, die Dr. Winkels netterweise schon angerufen hatte. Sie gab uns zwei Schmerzmittel mit und meinte „lassen wir es doch gar nicht zu den starken Schmerzen kommen!“, Leber und Nieren wären jetzt ja Nikes kleinstes Problem. Leider Vertrug Nike die Medikation nicht und wir hatten ein heftiges Wochenende zwar ohne Nervenschmerzen, aber mit Magen-Darm-Problemen der übelsten Sorte. Schließlich stabilisierte sie sich aber und wurde langsam aber sicher wieder unsere wilde Hummel. Das Lahmen verschwand.

 

Wir googleten uns durch die Hundeforen mit Erfahrungsberichten zu diesem Tumor, in den meisten Fällen war nach 1-3 Wochen Schluss. Wow, 3 Wochen, dachten wir. Das wäre toll. Die erste Woche verging, wir freuten uns an jedem Unsinn, den Nike wieder begann zu machen. Die zweite Woche begann, wir machten wieder kleine Spaziergänge, sie hielt mehrere hundert Meter durch, bis ich sie tragen musste. Aber sie hatte wieder Interesse an ihrer Umwelt, schnüffelte und genoss ihren Prinzessinnenplatz. Auch diese Woche überstand Nike, es ging ihr unter der Medikation zunehmend besser. Wir fragten ergänzend einen Heilpraktiker um Rat und Nike bekam fortan ein homöopathisches Einzelmittel sowie B-Vitamine zur Stärkung der Nerven. Während dieser Zeit tauchten natürlich viele Fragen auf, die Dr. Winkels telefonisch geduldig beantwortete.

 

Nikes Runden wurden wieder länger, sie begann zu buddeln und pöbelte weiterhin mit Begeisterung den Briefträger an. Die dritte Woche verging, ebenso die vierte, fünfte….Schließlich zählten wir nicht mehr die Tage oder die Wochen, sondern die MONATE. Als wir bei unserer Haustierärztin eine neue 100er Packung Prednisolon abholten kam das einem kleinen Fest nahe. Der unerwartete Tod ihrer alten Hundefreundin Cara am 25.08. traf sie zwar, die anderen Hunde holten sie aber zügig aus ihrer Traurigkeit und bald war sie wieder die fröhliche Hummel.

 

Nike hatte nun alle Prognosen weit übertroffen und außer, dass das betroffene Bein immer dünner wurde, merkte man ihr den Krebs nicht an. Wir arbeiteten uns von „Jubiläum“  zu Jubiläum wie den 4,5jährigen Jahrestag bei uns Ende August, meinen Geburtstag im Oktober, schließlich die Hoffnung auf gemeinsames Weihnachten und den Jahreswechsel. Nike schenkte uns die Zeit. Vor meiner Dienstreise im Dezember schaffte sie mehrere Runden über 5km!

 

Als ich Weihnachten wiederkam, fing sie plötzlich rechts vermehrt an zu humpeln. Schmerzen schien sie keine zu haben, sie wollte dennoch buddeln und laufen.  Wieder telefonierten wir ausführlich mit Dr. Winkels, er sagte, das sei ein Zeichen für ein Fortschreiten des Tumors. Nach Absprache mit ihm probierten wir eine Medikation mit Gabapentin, das den Nerv quasi „stilllegen“ würde. Würde das Lahmen dadurch besser, sei das eben leider doch ein Zeichen für Schmerzen. Wir gaben Gabapentin, aber es änderte nichts am Gangbild, jedoch war Nike sehr apathisch und schlief fast nur noch. Also setzten wir es wieder ab.

 

Wir kontaktierten einen Orthopädietechniker für Tiere, in der Hoffnung, man könnte Nike mit einer Orthese vll. zu einem leichteren Laufen verhelfen. Dieser zog seine Frau, eine Tierärztin mit Fachrichtung Orthopädie, hinzu, und beide waren der Meinung, Nike wäre eher mit Physiotherapie geholfen, vor allem einem Unterwasserlaufband. Für den Fall, dass sie mit der kraftlosen Pfote anfängt zu schleifen, bekamen wir einen Sabro-Schuh, an den wir Nike schon mal gewöhnten. Wir fanden eine wunderbare Tierärztin, die auch Physiotherapie verwendet und ein Unterwasserlaufband hat, und von da ab ging Nike zweimal wöchentlich zu ihr. Anfangs war sie nach jeder Einheit ziemlich erschöpft, aber schon bald merkten wir die positiven Auswirkungen des Trainings. Nike schien sich mit dem Humpeln arrangiert und ihren Rhythmus gefunden zu haben. Und sie LIEBT die Physiotherapie und die –therapeutin!

 

Am 22.03. gerieten wir bei einer Runde im Wald in einen heftigen Regenschauer und Nike wartete danach kurz im Auto, während ich noch eine kleine Extrarunde mit dem belgischen Jungspund drehte. In der Nacht bekam Nike starke Schmerzen im Nackenbereich und konnte –wie im August 2013 – nur mit Kissen schlafen. Panik kam auf. Glücklicherweise stellte es sich als heftige Verspannung durch Nässe und Kälte heraus. Nike bekam einen schicken Schal und 2 Tage hochdosiert Novaminsulfon und schnell hatten wir die „alte“ Nike wieder.

 

Im Laufe des Aprils begann sie häufiger das rechte Bein im Sitzen hochzuhalten, ab und zu waren ihr bestimmte Bewegungen unangenehm. Nach Rücksprache mit der Physiotherapeutin bekam Nike nun regelmäßig Novaminsulfon, so wenig wie möglich, so viel wie nötig. Inzwischen waren nun auch die Nebenwirkungen der hohen, langen Prednisolongabe sichtbar: Nike hatte IMMER Hunger, und trotz Diät wurde der Bauch dicker, die Beine dünner, das Fell härter und ebenfalls dünner.

Von Anfang setzten wir Nike auf eine streng kohlehydratarme, vitalstoffreiche Diät. Da sie leider Rohfleisch nicht mehr gut verträgt, probierten wir einige fettarme Dosenfuttersorten durch, wobei sie das Gewicht am besten mit Terra Canis Light hält. Zusätzlich bekommt sie frisches Gemüse, Keltican forte (für die Nerven) und ihr ganz persönliches Wundermittel, ein Granulat aus der Astragaluswurzel (nur auf Rezept vom TCM-kundigen Arzt oder Heilpraktiker), was auf Nike wie der Zaubertrank auf die Gallier bei Asterix wirkt. Desweiteren ergänzt sie ihre Diät gerne durch selbstgefangene oder von den Katzen geschenkte Mäuse und Vögel ;)

Am 08.06. feierten wir Nikes Zehnmonatiges! Aber seit Anfang Juni sieht man nun im rechten Auge öfter die Nickhaut. Als wir mit unserer Seniorin Shari einen Termin mit Dr. Winkels hatten, nahmen wir Nike kurzerhand als special guest mit. Das war nach der Diagnose im August das erste Mal, dass er Nike wiedersah. Das Vorfallen der Nickhaut sei ein typisches Zeichen für diesen Tumortyp, nur der langsame Verlauf bei Nike sei sehr untypisch. Also werden wir genauso wie bisher weitermachen und hoffen natürlich auf das Elf- und dann das Zwölfmonatige usw. Diese „Patientengeschichte“ ist also dem Himmel sei Dank noch nicht abgeschlossen!