Einleitung
„Wir raten bei Ihrem Hund Benno zu einer Arthroskopie des Kniegelenkes, um minimal-invasiv eine Meniskuspathologie auszuschließen, und werden endoskopisch mit dem Shaver ein Debridement vornehmen.“ Wie bitte?
Arthroskopie beim Hund? Geht das? Ist das wie beim Menschen? Warum kostet eine Arthroskopie so viel? Was ist überhaupt eine Arthroskopie?
Das Wort Arthroskopie leitet sich vom griechischen Wort „arthros“ = Gelenk und „skopein“ = schauen ab. Als Synonym wird auch Gelenkspiegelung verwendet. Der Begriff Endoskopie ist allgemeiner, abgeleitet vom griechischen „endo“ = hinein, und meint also allgemein hineinschauen. Das Ziel der Arthroskopie ist es möglichst schonend (minimal-invasiv) in ein Gelenk zu sehen und krankhafte Veränderungen festzustellen und wenn möglich auch arthroskopisch zu therapieren.
Nachdem die ersten Versuche der endoskopischen Examinierung von Gelenken im Jahre 1912 von dem dänischen Chirurgen und Radiologen Severin Nordentoft durchgeführt wurden, genießt die Arthroskopie seit den frühen 90gern in der Humanmedizin eine herausragende Rolle. Die Arthroskopie ist auch in der Veterinärmedizin integriert und wird in den letzten Jahren immer populärer und häufiger durchgeführt. Wurde bisher ein Gelenk mit einem großen Schnitt eröffnet, um sich die inneren Strukturen im Gelenk anzusehen und zu therapieren, so kann mit der Arthroskopie durch winzige Öffnungen das betroffene Gelenk oftmals besser und gleichzeitig schonender eingesehen und therapiert werden. Durch die Arthroskopie werden operationsbedingte Schmerzen reduziert, die Heilungsphase verkürzt, krankhafte Veränderungen im Gelenk besser erkannt und therapiert. Prinzipiell unterscheidet man zwischen einer diagnostischen Arthroskopie und der therapeutischen Arthroskopie. Beide können gleichzeitig durchgeführt werden. Der Unterschied zur Humanmedizin ist im Wesentlichen die Größe des Patienten, was die Arthroskopie bei unseren kleinen Patienten erschwert.
Ausrüstung
Um durch die winzigen Öffnungen arbeiten zu können wird eine spezielle Ausrüstung benötigt. Das Arthroskop stellt das Auge des Chirurgen dar. Durch ein hochpräzises Linsensystem wird das Bild im Gelenk nach außen geleitet und dient außerdem als eine Art Lupe. Am Ende des Arthroskopes wird eine Kamera aufgesetzt, die das Bild auffängt und zu einem Monitor leitet. Um genügend Licht zu haben wird eine spezielle Kaltlichtquelle benötigt. Das erzeugte Licht wird durch ein Glasfaserkabel, über das Arthroskop in das Gelenk geleitet. Aufgrund der geringen Platzverhältnisse im Gelenk und der kleinen Öffnung können auch keine Standardinstrumente aus der allgemeinen Chirurgie verwendet werden. Die Instrumente müssen sehr klein sein, aber dennoch robust.
So wird ein Tasthaken verwendet. Diese stellt die verlängerte Hand des Chirurgen dar, um im Gelenk zu fühlen, oder sich Strukturen wegzuhalten, welche die Sicht verhindern. Ferner kann man feststellen, ob z. B. ein Seitenband noch straff ist oder wie die Beschaffenheit des Knorpels ist, oder ob der Knochenvorsprung noch beweglich oder schon fest ist
Neben den mechanischen Instrumenten wie Zangen, Stanzen, scharfen Löffeln, in allen möglichen Formen und Größen, stehen weiterhin elektrisch betriebene Geräte zur Verfügung. So kann man mit einem sogenannten Shaver und einem entsprechenden Aufsatz Weichteilgewebe und mit einer Fräse krankhaften Knochen entfernen. Auch finden Elektroskalpelle Anwendung, die durch lokale Hitze Gewebe abtrennen.
Grundsätzliche Vorgehensweise
In der Regel wird ein Gelenk mit einer Kanüle punktiert. Die auslaufende Gelenkflüssigkeit kann analysiert werden, um einen Entzündungsstatus des Gelenkes zu ermitteln. Durch die Kanüle wird sterile Flüssigkeit in das Gelenk gebracht und somit „aufgeblasen“. Es folgt ein kleiner Schnitt mit dem Skalpell, um den sogenannten „Optikkanal“ anzulegen. Durch die kleine Öffnung wird nun das Arthroskop eingeführt. Trübe Gelenkflüssigkeit, bedingt durch eine Entzündung oder kleinste Blutungen führen oft zu einer verminderten Sicht. Das Gelenk muss daher während der Arthroskopie permanent gespült werden. Neben der klareren Sicht führt die Gelenkspülung zu einem Ausschwemmen von Entzündungsstoffe und ähnlich wie beim Tauchen zu einer Vergrößerung des Bildes. Nach einem „Spaziergang“ zur Orientierung im Gelenk wird ein sogenannter Arbeitskanal angelegt. Durch diese Öffnung wird zunächst der Tasthaken geführt und später weitere Instrumente.
Diagnostische Arthroskopie
In der diagnostischen Arthroskopie wird unter Sichtkontrolle und durch das Abtasten der einzelnen Gelenkstrukturen das gesamte Gelenk begutachtet. Dabei wird besonderes Augenmerk auf den Knorpel gelegt, da dieser doch in besonderem Maße für ein geschmeidiges Gleiten der Gelenkflächen verantwortlich ist. Wenn er aufgeweicht oder gar nicht mehr vorhanden ist, spricht dies für eine ernsthafte Erkrankung.
Es werden auch die Bänder in Augenschein genommen und auf Verletzungen oder Überdehnungen hin untersucht. Die Gelenkkapsel gibt Hinweise auf eine bestehende Entzündung und wie lange diese besteht. Ist beispielsweise die Gelenkkapsel derb, verdickt und hat lange gerötete ausgeprägte Zotten, so besteht wahrscheinlich schon seit längerer Zeit eine Entzündung. Am Ende der diagnostischen Arthroskopie werden die Befunde zusammengefasst und eine Diagnose erstellt. In manchen Fällen muss mit Hilfe anderer diagnostischer Hilfsmitteln die Diagnose gestellt werden.
Therapeutische Arthroskopie
Je nach Befund der diagnostischen Arthroskopie kann unter Umständen gleich im Anschluss eine arthroskopisch gestützte Therapie erfolgen. Dies ist aber nicht immer möglich und auch nicht immer sinnvoll. Muss beispielsweise ein großes Knochenstück entfernt werden, so kann es schonender sein, einen chirurgischen Zugang mit einem Gelenkschnitt zu machen, anstatt z.B. die zerkleinerten Knochenstücke durch die enge Arthroskopie-Öffnung zu transportieren und dabei unbeabsichtigt Gelenkstrukturen zu verletzen. Diese Anwendung der therapeutischen Arthroskopie findet z. B. im Ellbogengelenk statt, um das erkrankte Teil des inneren Kronfortsatzes zu entfernen. Das komplette Schultergelenk kann mit Hilfe der Arthroskopie durch einen kleinen Schnitt eingesehen werden, was mit dem klassischen Gelenkschnitt, trotz großer Öffnung, nicht möglich ist. Die therapeutischen Möglichkeiten sind vielfältig und werden in Zukunft immer mehr bei Tieren zur Anwendung kommen.
Vor- und Nachteile der Arthroskopie
Vorteile
Im Gegensatz zum klassischen Gelenkschnitt ist die Arthroskopie die schonendere Methode. Die Entzündung und die Schmerzen sind nach der Operation geringer, die Hunde belasten daher die operierte Gliedmaße schneller, und es gibt begründete Hinweise, dass sich nach einer Arthroskopie im Vergleich zum klassischen Gelenkschnitt weniger Arthrose bildet.
Mit dem Arthroskop ist oft das gesamte Gelenk einsehbar und durch den Vergrößerungseffekt in der Arthroskopie lassen sich Erkrankungen leichter und exakter erkennen und therapieren. So kann man beispielsweise einen Meniskusschaden im Kniegelenk viel früher und zweifelsfreier diagnostizieren im Vergleich zum konventionellen chirurgischen Zugang.
FPC - fragmentierter Processus coronoideus
Das ist ein Knochen-Knorpel-Fragment im Ellbogengelenk.
Einschränkungen, Nachteile und Risiken
Die Arthroskopie ist aber nicht das Wundermittel, was alles kann, und alle anderen Methoden überflüssig macht. Das Erlernen der Gelenkspiegelung ist extrem schwierig und bedarf einer langen Ausbildung. Allein die Orientierung in einem Gelenk fällt schwer: Stellen Sie sich vor, dass sich vor Ihrem Auge eine Lupe befindet und Sie suchen im Abstand von 2 cm von der Tischplatte auf Ihrem Schreibtisch eine Büroklammer. Dann sehen Sie zwar alles riesig groß, wissen aber gar nicht an welcher Position vom Tisch Sie sich gerade befinden.
Auch wenn die Instrumente in der Arthroskopie oft die gleichen sind, so muss die Arthroskopie-Technik für jedes einzelne Gelenk individuell erlernt werden. Weiterhin muss der Chirurg nicht nur die Technik der Arthroskopie beherrschen, sondern jederzeit in der Lage sein, wenn z.B. ein Gelenkspalt zu klein ist, den arthroskopischen Zugang in einen klassischen Gelenkzugang überführen zu können.
Um arthroskopieren zu können bedarf es einer gewissen Grundausstattung. Diese Investitionskosten sind extrem hoch (beginnend bei ca. 15.000 €) und es kann beim Arbeiten mit den Instrumenten sehr leicht etwas zu Bruch gehen. Wird z.B. ein Arthroskop einmal zu stark gebogen, so ist das Instrument so beschädigt, dass es nicht mehr benutzt werden kann. Eine Neuanschaffung beträgt 1.500,00 €. Bei der Gelenkspiegelung kann nur die Oberfläche, also der Knorpel, eines Gelenkes beurteilt werden. Trotz erhaltener, gesunder Knorpeloberfläche kann der darunter liegende Knochen erkrankt sein. Hier helfen nur andere Verfahren weiter, wie beispielsweise das Röntgen oder die Computertomographie .
Zusammenfassung
Zusammengefasst kann gesagt werden, dass bei der Erkennung und Behandlung von Gelenkerkrankungen in der orthopädischen Kleintierchirurgie die Arthroskopie beim Hund eine große Hilfe ist. Durch die hohen Investitionskosten und die benötigte Erfahrung und Routine wird die Arthroskopie wahrscheinlich auch in Zukunft nur durch Spezialisten durchgeführt werden.